13.10.2024

Individuell sicher – Generationenvertrag neu verhandeln

Deutschland steht am demografischen Scheideweg. Ist der Altenquotient im Jahr 2024 noch bei 33 Personen >67 Jahre pro 100 in der Gruppe 20-66, so wird er bis 2040 auf 45 ansteigen. Das ist eine anstehende Steigerung um 36% in 16 Jahren – und damit einhergehend des Mittelbedarfs für die Alterssicherung.

Auf der anderen Seite werden im Haushalt der gesetzlichen Rentenversicherung bereits jetzt zusammengenommen rund 30% durch die Bundeszuschüsse gedeckt – effektiv Steuergeld. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist dies eine massive Abweichung vom Versicherungs- und Leistungsprinzip.

Als ursächlich für diese Entwicklung sind zwei Tatsachen zu sehen: die Steigerung der Lebenserwartung, sodass aktuell die durchschnittliche Rentenbezugszeit bei 20.5 Jahren liegt (vgl. 14 Jahre Ende der 1980er Jahre) und die Gesundheitskosten tendenziell steigen – sowie die Fehlentwicklung, dass die Kinderzahl pro Frau seit Mitte der 1970er Jahre bis Anfang der 2010er Jahre beim langjährigen Durchschnitt von
 rund 1.4 lag.

Es ist also stringent, zu folgern: die Generation der Babyboomer hat den Generationenvertrag durch Unterlassen aufgekündigt. Gleichzeitig wurde es politisch fahrlässig verpasst, dieser Tatsache gerecht zu werden und pragmatische Lösungen anzubieten. Reformen wurden verschleppt, Wahlgeschenke wurden gemacht.

In der aktuellen Situation bleibt also nicht viel Raum: Die Belastung durch das bestehende Umlagesystem muss weiter finanziert werden, während Deutschland den Wandel hin zu einem nachhaltigen Rentensystem mit teilweise Kapitaldeckung schaffen muss. Wir Liberalen machen uns keine Illusionen: Das Umlagesystem in seiner jetzigen Ausgestaltung ist gescheitert und muss zahlenmäßig wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Kapitalgedeckte Komponenten können und müssen hierbei ihren Teil beitragen, sind jedoch in der aktuellen Situation mittelfristig keine Patentlösung eines
 kippenden Umlagesystems – dieses muss im Kern reformiert werden. 

 Bei der Beitragshöhe besteht hierbei kein Spielraum. Die Gesamtbelastung mit
 Sozialbeiträgen bei Arbeitnehmenden bereits in 2024 insgesamt 37 Prozentpunkte vom
 Bruttoeinkommen plus Zusatzbeitrag; davon 18.6 Punkte für die gesetzliche
 Rentenversicherung – Deutschland liegt bei Steuern und Sozialabgaben zusammen nach
 Belgien global auf Platz 2. Es gibt keinen Raum nach oben; wir Liberalen sprechen uns
 klar gegen eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge aus – diese würde auf Kosten
 der jüngeren Generationen gehen und diesen unberechtigt die Verantwortung für die kippende Demografie aufbürden.

Stattdessen ist die Wiederanpassung der Bedingungen des Umlagesystems an die wirtschaftlichen Realitäten Gebot der Stunde. Wir fordern die Neuverhandlung des Generationenvertrags, der den Charakter einer Basisabsicherung betonen muss. Unwuchten wie bei der angewachsenen Rentenbezugszeit müssen beseitigt werden; Anreize zur nachhaltigen Erhaltung der Demografie müssen in viel stärkerem Ausmaß gesetzt werden.

 Konkret fordern wir daher:

  1.  Kopplung der durchschnittlichen Rentenbezugsdauer bei rechnerisch vollem Bezug an die Lebenserwartung. Einen Aufwuchs der Rentenbezugszeit allein durch medizinischen Fortschritt darf es nicht geben; die durchschnittliche Länge des Rentenbezugs muss fixiert werden.
  2.  Absenken der (dann rechnerischen) durchschnittlichen Rentenbezugsdauer von derzeit 20,5 auf 14 Jahre (vgl. Ende 1980er Jahre) mittelfristig – der durchschnittliche Renteneintritt muss innerhalb der nächsten 2-3 Jahrzehnte auf einen diesem Niveau entsprechenden Wert ansteigen. Ein für längere Bezugszeiten entsprechend niedrigeres Rentenniveau darf kein Tabuthema sein.
  3. Kurzfristig muss das Rentenniveau gesenkt werden, um die Finanzierung der gesetzlichen Rente ohne exorbitante Mehrbelastung der Beitragszahler zu ermöglichen.
  4.  Stabilisierung des Zuschusses des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung bei der aktuellen Quote. Langfristiges Abschmelzen desselben nach dem Zeitraum des anstehenden demografischen Übergangs. Eine Rückkehr zum Leistungs- und Versicherungsprinzip in der umlagefinanzierten Rente muss langfristig stattfinden.
  5. Klare Trennung zwischen Rentenversicherung und sozialer Absicherung. Für uns ist die Rente kein soziales Umverteilsystem. Personen, deren Absicherung durch die Rente unter dem Existenzminimum ist, sollen das zusammengefasste liberale Bürgergeld (insbesondere: nicht das aktuelle) beziehen bzw. aufstocken. Komponenten der Rente, die dies unterlaufen, sollen konsequent beseitigt werden.
  6. Der Anteil der Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente soll sehr langfristig nach Möglichkeit angehoben werden

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